JENNY TIESLER

Naturschutz & Pandemie

Der Wald leidet unter dem Lockdown

Seit dem ersten Lockdown strömen die Menschen in Massen in die Natur. Bis zu 2.000 Besucher zählt der Nationalpark Eifel an Spitzentagen. Dieser Ansturm stört das empfindliche Gleichgewicht des Waldes: Viele Tiere verlieren ihre Rückzugsorte. Zu Ostern könnte sich die Lage weiter zuspitzen, fürchten Naturschützer.

Fuchs sitzt auf einem Baumstumpf im Wald
Foto: Erik Karits | Pexels.com

Eigentlich würde Sascha Wilden, Ranger im Nationalpark Eifel, jetzt mit einer Handvoll Naturbegeisterter durch die Buchenwälder des Nationalparks streifen. Doch seit Beginn der Pandemie finden die beliebten Führungen nicht mehr statt. Viel zu sehr sind Wilden und seine 17 Ranger-Kollegen damit beschäftigt, Menschen zu ermahnen, die abseits der Wege unterwegs sind. Seit dem ersten Lockdown zieht es Besucher scharenweise in den einzigen Nationalpark Nordrhein-Westfalens. 

Besucher-Rekorde während Lockdown

Über eine Million Menschen nutzten im vergangenen Jahr das weitläufige Wandernetz, um die Natur zu erleben und sich zu erholen. Doch es gab auch so viele Verstöße wie noch nie gegen die Regeln des Parks: Querfeldein-Wanderer, unangeleinte Hunde und jede Menge Müll. Szenen wie vom Pfingstwochenende 2020 auf dem Parkplatz Kermeter könnten sich wiederholen: Mehr als 800 Autos mussten die Ranger weiterschicken. Der für 130 Fahrzeuge ausgelegte Parkplatz war schon in den Morgenstunden dicht. Zur beliebten Narzissenblüte um Ostern könnten die Besucherzahlen weiter steigen und damit auch der Stress für die Natur.

Waldbesuchern fehlt oft Wissen

Mit dem Lockdown und den Reisebeschränkungen hat eine neue Klientel den Wald für sich entdeckt. Doch vielen fehlt das Grundwissen über die Natur und ihren Schutz, wie eine Studie des Umweltministeriums zeigt. Ranger Wilden weiß, dass es oft kein böser Wille ist. „Die Leute sind meistens einsichtig“, sagt der Forstwirt. Das häufigste Vergehen im Nationalpark: Besucher verlassen die vorgegebenen Wege. Was harmlos klingt, kann für die Natur schwere Folgen haben. Die hochsensiblen Lebensräume werden erheblich gestört, manche regelrecht zertrampelt.

Über 2.400 bedrohten Arten bietet der Nationalpark einen sicheren Lebensraum, darunter die scheue Wildkatze, Perlmuttfalter, Springfrösche und seltene Mauer-Eidechsen. „Das unverantwortliche Verhalten der Besucher bedroht die Rückzugsorte dieser Tiere“, sagt Wilden. Für ihn ist die Arbeit im Wald mehr als ein Job: Naturschutz und Umweltbildung sind ihm ein Herzensanliegen. Er sieht den Naturschutz zunehmend mit Füßen getreten. Besonders dann, wenn er wie im vergangenen Sommer illegale Zeltplätze samt offener Feuerstellen aufspürt.

Zusätzlicher Stress für Wildtiere

Vor allem Städter und Familien erkunden während der Pandemie die Natur vor ihrer Haustür, um dem Alltag zu entfliehen. Vielen Ausflüglern ist aber nicht bewusst, dass sie durch ihre Anwesenheit die scheuen Waldbewohner stören. Der Deutsche Jägerverband führt den Anstieg der Wildunfälle 2020 sogar unmittelbar auf die ungewöhnlich vielen Waldbesucher zurück. Die Tiere kommen nicht mehr zur Ruhe. Gerade am Ende des Winters sind die Kraftreserven vieler Wildtiere aufgebraucht. Jeder Stress, jede Flucht vor einem nicht angeleinten Hund oder einem Jogger, der mit Stirnlampe in der Dämmerung unterwegs ist, kostet zusätzliche Energie. Um seinen erhöhten Energiebedarf zu decken, macht sich etwa das Rotwild vermehrt über junge Triebe und Setzlinge her. Ein Teufelskreis. Denn nur durch gezieltes Aufforsten kann ein naturnaher Mischwald entstehen, der besser mit dem zunehmend warmen und trockenen Klima zurechtkommt.

Hirsch im Wald
Foto: Cmonphotography | Pexels.com

Mensch ist Gast im Wald

In der Pandemie wird deutlich, welchen Stellenwert der Wald als Erholungsort hat. „Es ist schön, dass die Menschen in den schweren Zeiten des Lockdowns die Natur wieder entdecken“, freut sich Klaus Hackländer von der Deutschen Stiftung Wildtiere, doch „der Mensch sollte sich in der Natur wie ein Gast benehmen.“ Naturschützer wie Ranger Wilden hoffen, dass mit dem großen Interesse am Wald auch das Bewusstsein für den Schutz des sensiblen Ökosystems steigt. Seit Januar appelliert die Verwaltung des Nationalparks Eifel deshalb: Kommt nicht zu uns in die Eifel!

Sonnendurchfluteter Wald
(Foto: 251206 | Pixabay)